Filters

Barb Jungr - Shelter From The Storm - The New Listener

Die Stimme von Barb Jungr ist wie ein Chamäleon in der Musik und schmiegt sich jedem nur erdenklichen Stil an, so macht die als Chanson-Sängerin bekannte Musikerin Cabaret ebenso wie Blues und Soul und ist geschätzt für ihre Coverversionen von Popgrößen wie Bob Dylan oder Leonard Cohen. Auch mit ihren mittlerweile immerhin schon über 60 Jahren hat sie nichts von ihrer vollen, kräftigen und geschmeidigen Stimmkraft, an voluminösem Klang eingebüßt. Und auf „Shelter From The Storm“ beweist sie einmal wieder, welch ungeheuere Anpassungsfähigkeit ihre Stimme hat, sowohl was die verschiedensten Stile in den aufgenommenen Songs betrifft als auch in Bezug auf die Musiker – dieses Mal spielt sie ausschließlich mit in Amerika lebenden Jazzmusikern. Erstaunlich ist jedes Mal aufs Neue ihre nuancenreiche Gestaltung des Vibratos, das zu keiner Zeit mechanisch eingesetzt wird – mal tritt es nur ganz spärlich in Erscheinung, mal trägt es den Ton mit großem Ambitus direkt zum Hörer. Durch genaueste Abstimmung zur zu erzielenden Wirkung wirkt es hier als ausgesprochen mächtiges und sinnvolles Stilmittel. Bereits im Titel als Feature angegeben ist der vielseitig begabte Jazzpianist Laurence Hobgood, ein preisgekrönter Virtuose mit äußerst differenziertem Spiel und einem progressiven, nicht in Routine verfallen wollenden Touch, der seinen Klavierstimmen immer wieder eine neue Frische verleiht. Hier am Klavier und am elektronischen Keyboard (sowie beim Pfeifen) zu hören, verleiht er den Songs einen harmonisch interessanten und vielschichtigen Instrumentalpart, der den melodischen Höhenflügen Jungrs zu folgen weiß, selber eigenständig aktiv bleibt und sich weder zu sehr in den Vordergrund drängt noch im Hintergrund verschwindet. Die erst seit kurzer Zeit bestehende Zusammenarbeit der beiden trägt jetzt schon erstaunliche Früchte und es klingt, als würden sie bereits wesentlich länger gemeinsam wirken. Leider nur auf der CD-Innenseite genannt, aber dennoch nicht weniger bedeutsam sind Michael Olatuja am Bass und Wilson Torres am Schlagwerk. Olatuja ist zwar in der Gesamtwirkung eher im Hintergrund zu hören, doch ist sein präzises Pizzicato eine unerlässliche Stütze für die Liedkonstrukte und agiert auch in der tiefen Lage als abwechslungsreiche Stimme. Torres hat einen gewaltigen Apparat an Schlagwerk aufgetischt und kann bereits mit wenigen Klängen eine ganz eigene Atmosphäre schaffen, über der sich die übrigen Instrumente sowie die Stimme erst entfalten können. Er hat einen rhythmisch extrem genauen Groove und beherrscht auch ein zurückgehaltenes Entstehenlassen des Fundaments. Die Songs sind allesamt in einem mittleren Tempo genommen und von fein zurückhaltendem Charakter. Kein Lied treibt sonderlich in Überschwang nach vorne, ebenso ist keines von übermäßiger Melancholie oder Niedergeschlagenheit. So versucht Barb Jungr, die Hoffnung – For Troubled Times – durch eine edle und gemessene Musik zu erreichen. Ob dieses Konzept nun auf jeden Hörer individuell wirken mag, zumindest mit ihrer Stimme kann sie doch Hoffnung und Freude verbreiten, ihr Klang schützt auch vor dem stärksten Sturm.

The New Listener
01 March 2016