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Mozart Symphonies 2 - SCO & Sir Charles Mackerras - Die Zeit

Vielleicht muss man 85 Jahre alt werden, wie Sir Charles Mackerras in diesem Jahr, um Mozart so zu dirigieren: mit einer unvergleichlichen Mischung aus altersweiser Gelassenheit, jugendlichem Feuer und Radikalität. Bei Mozart vieles falsch zu machen ist leicht. Alles richtig zu machen ist unendlich schwer. Und Mackerras gelingt genau dies. In den achtziger Jahren spielte er mit dem Prager Kammerorchester schon einmal alle 41 Mozart-Sinfonien ein. In den viel zu wenig bekannten Aufnahmen konnte man einen vitalen, dramatisch zügigen Mozart erleben, der sich wohltuend absetzte vom polierten Mozart-Gesäusel mancher Kollegen.

Mit dem Scottish Chamber Orchestra legte Mackerras fantastische Aufnahmen der großen Mozart-Opern vor. Und man kann dem grand old man nur dankbar sein, wenn er die Sinfonien mit diesem Orchester nun ein zweites Mal in Angriff nimmt. 2008 erschienen die vier letzten, in wenigen Tagen lässt Mackerras auf zwei CDs mit der A-Dur-Sinfonie KV 201 die wohl bedeutendste der Salzburger Jahre folgen, außerdem die »Pariser«, die G-Dur-Sinfonie KV 318, die »Haffner« und die »Linzer« Sinfonie. Mit Sicherheit hat Sir Charles wieder das alte Notenmaterial aus der Gartenlaube hinter seinem Londoner Reihenhaus hervorgeholt, in der sich die eigenhändig bezeichneten, akribisch mit Phrasierungen, Dynamik und Stricharten versehenen Noten stapeln.

Und doch ist das Resultat ein anderes. So schön, so vollendet und aus einem Guss wie jetzt gelang seine erste Einspielung der Sinfonien nicht. Allein die zehn Minuten, in denen er das Andante der »Pariser« in einen beglückenden Schwebezustand versetzt, das Metrum verflüssigt, ohne die rhythmischen Strukturen aufzuweichen, die Töne seidenmatt glänzen und abheben lässt, reichen aus, um diese Aufnahmen unsterblich zu machen. Oder die Farbwechsel zwischen den federnden Streichern und herrlichen Bläserdialogen in den Kopfsätzen der »Haffner« und »Linzer«. Bei zahllosen liebevoll ausgekosteten, überraschenden Details und winzigen Verzögerungen hält Mackerras Mozarts Musik wunderbar im Fluss. Und die Diskussion über Originalklang oder nicht legt er endgültig ad acta. Mozart funktioniert auch ohne Darmsaiten bestens.

Die Zeit
08 April 2010