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JS Bach Matthew Passion - Dunedin Consort - Toccata

Das 1996 gegründete schottische Ensemble Dunedin Consort and Players steht seit 2003 unter dem Dirigat von John Butt. Für Bachs Matthäuspassion holte er sich Susan Hamilton, Cecilia Osmond (Sopran), Clare Wilkinson, Annie Gill (Alt), Malcolm Bennett (Tenor), Brian Bannatyne-Scott (Bass) sowie Nicholas Mulroy (Evangelist) und Matthew Brook (Jesus). Die Passion wird solistisch besetzt interpretiert.

Haben Sie das mitbekommen? Die Passion wird solistisch besetzt interpretiert! Und wir sprechen immerhin von Bachs Matthäuspassion BWV 244 in der Version ihrer letzten Aufführung um 1742. Das ist unglaublich radikal und konsequent gedacht. Und das Ergebnis spricht für sich selbst!

Zunächst - diese Einspielung ist unglaublich gut! Die Tempi sind herzergreifend schön, spritzig, schwingend und beruhigend, wenn sie es sein sollen. Die Stimmen sind hervorragend besetzt, die Einzelleistung über jeden Tadel erhaben. Die Instrumentalisten spielen mit Herzblut, mit einer Frische und Lockerheit, wie man es selten hört.

Die gesamte Interpretation atmet Fröhlichkeit, Spielfreude und höchstes Musiziervergnügen. Sie ist bewegend und erschütternd, mitreißend, beruhigend, aufwühlend, spannend, überraschend, ein Highlight der Alten Musik. Natürlich kann man jetzt noch an der Textverständlichkeit herummäkeln - es gibt immer Puristen, die eine Bachsche Passion ausschließlich von Deutschen interpretiert wissen wollen. Es ginge da um die evangeliare Komponente der Textvorlage, etc. etc.

Und dann könnte von aus diesem Standpunkt aus auch die solistische Aufführungspraxis anzweifeln. Ich bin es müde, die Argumente dafür oder dagegen immer wieder anzuführen. Seit nun 25 Jahren kokelt der Schwelbrand der "solistischen Aufführungspraxis" nun schon in der Szene, von Joshua Rifkin entzündet, immer wieder einmal auflodernd, meistens jedoch nur mit kleinen züngelnden Flammen. Ein Choral, als Quintessenz von Gottes Wort, müsse eben mit wuchtigen, einprägsamen Klangbild einhergehen, der Chor daher mindestens mit 16 Stimmen besetzt sein, nein, nur mit Ripienisten, also maximal 8...

Das ist die Quadratur des Kreises, die Suche nach der Quintessenz. In dieser Diskussion geht es ausschließlich um den Standpunkt des Einzelnen. Mir persönlich ist eine schlanke, wendige, transparente und konzertierende (im Wortsinn von wetteifern) Aufnahme einfach lieber. Ein derartiges Ergebnis, wie es hier John Butt vorlegt, ist mit einer klassisch-konventionellen Besetzung einfach nicht zu erzielen. Das ist auch irgendwie logisch - vier Stimmen ergänzen sich besser, können sich leichter gegenseitig verfolgen, das Einzeltimbre ist leichter und prägender einzusetzen als z.B. bei 16 Stimmen. Ab 20 Stimmen wird es dann diffuse und schwerfällig, die Koloraturen müssen einfach langsamer gesungen warden usw.

Die Crux an der solistischen Besetzung ist die solistische Besetzung. Wenn die Solostimmen nicht miteinander harmonieren, kann das den ganzen Eindruck trüben. Das muss ich auch bei der hier vorliegenden Aufnahme anmerken: Manchmal knallt einfach der Solist, die Bühne, durch. Das tut der Gesamteinspielung unglaublich weh. Und das hat die Nominierung zur "Platte des Monats" verhindert.

Toccata
09 July 2008