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The Prince Consort - Other Love Songs - Klassik.com

The Prince Consort mit Brahms-Liedern und neuen Arbeiten von Stephen Hough: eine in der Summe guteInterpretation.

Zwar muss sich niemand rechtfertigen, der Johannes Brahms' Zyklen für Vokalstimmen und Klavierbegleitung aufführt, doch scheinen 'Liebeslieder', 'Neue Liebeslieder' oder 'Zigeunerlieder' aktuell keine drängende Aktualität zu haben. Zuletzt hat 2007 eine exzellente Platte in der Besetzung mit Marlis Petersen (Sopran), Stella Doufexis (Alt), Werner Güra (Tenor) und Konrad Jarnot (Bass) ein gewichtiges Wort für diese in mancher Hinsicht leichte Musik in solistischer Besetzung eingelegt, nachdem die Vergangenheit überwiegend von Kammerchoreinspielungen dominiert war. An den solistischen Ansatz schließt das junge englische Prince Consort an, wenn es Brahms 'Liebeslieder' op. 52 und die 'Neuen Liebeslieder' op. 65 einspielt, allerdings erweitert um einen entscheidenden Kontrast: Zwischen den beiden Zyklen stehen die 'Other love songs' des britischen Komponisten Stephen Hough (geb. 1961). Das gibt dem Programm zweifellos einen besonderen Reiz.

Brahms' früherer Zyklus wirkt auf den ersten Blick heiter, leicht und ästhetisch eindeutig - doch mischen sich immer wieder Zwischentöne in die aufgeräumte Stimmung der Lyrik Georg Friedrich Daumers. Vor allem formal sind diese knappen liedhaften Sätze interessant, gelingen Brahms doch auf engem Raum variantenreiche Lösungen bei der Gestaltung nur scheinbar einfacher Linien und expressiver Sphären. Dieses Prinzip, einfache Formen subkutan mit harmonischer, linearer und struktureller Komplexität aufzuladen, ist in den 'Neuen Liebesliedern' op. 65 meisterlich verfeinert. Und Brahms fügt diese Zutaten zusammen, ohne den direkt wirksamen Affekt zu gefährden. Richtig ist auch, dass der spätere Zyklus mehr Wendungen ins Düstere, Verzagende aufweist, dass sich harschere melodische Wendungen weniger geschmeidig ins Ohr einschmeicheln.

Doch bringt vor allem der 2010 entstandene Zyklus aus der Feder Stephen Houghs entscheidende Kontraste ins Programm: Hough folgt mit 'Other love songs' nicht der Spur Brahmsscher Verwirrungen um die Liebe zwischen Mann und Frau, sondern spürt anderen Formen der Liebe nach - etwa im eindrucksvollen, intensiv-lyrischen Eingangsstück 'When I have passed', in dem der Erzähler die Erinnerung an seine schmerzlich vermisste Mutter beschwört. Das gerät beeindruckend expressiv, dabei kaum eine mäßig raue Tonalität verlassend. Neben diesen traumverloren schönen Sätzen beweist Hough einigen Humor, auch auffahrende Gesten lassen sich hören. Doch ist Hough in erster Linie ein sensibler, begabter musikalischer Lyriker, dessen Lieder die Brahms-Zyklen gelungen kontrastieren.

Licht und Schatten
The Prince Consort ist ein Ensemble aus professionellen jungen Vokalisten, die sämtlich einige Erfahrung auf Opernbühnen in ihre gemeinsame Arbeit einbringen. In der Besetzung Anna Leese (Sopran), Jennifer Johnston (Mezzosopran), Tim Mead (Altus), Andrew Staples (Tenor), Jacques Imbrailo (Bariton) und Alisdair Hogarth (Klavier und künstlerische Leitung) agiert die junge Formation mit profilierten Einzelstimmen, die im Ensemble dennoch harmonisch zueinander finden. Man balanciert gekonnt auf dem Grat von durchbrochenem Ensemble und solistischer Geste. Tim Meads Altus wirkt im Kontext der Brahms-Lieder speziell, aber das ist klingend kein gravierender Aspekt und bleibt sicher Geschmackssache. Vor allem Tenor und Bariton tun sich als differenziert deutendes Stimmpaar hervor, etwa in op. 52/14 'Sieh, wie ist die Welle klar'. Bei den Hough-Liedern überzeugt Jacques Imbrailo zudem als sensibler Solist. Negativ ins Gewicht fallen die deutlichen Probleme bei der idiomatisch korrekten (auch: sinnorientierten) Aussprache und Betonung des Deutschen. 

Am Klavier begleiten Hogarth und seine Partner Philip Fowke bei Brahms und Stephen Hough bei dessen eigenen Werken präzis, agil und mit klarer Struktur, dabei etliche Impulse für eine differenzierte dynamische Gestaltung liefernd. Ihre leichthändige Virtuosität erlaubt es, etwa Brahms teils hochkomplexe Begleitsätze eine unbeschwerte Grundlage sein zu lassen. Das Klangbild ist konzentriert, klar, plastisch und balanciert vokale und instrumentale Anteile sehr gelungen aus.

Bei dieser Platte passt der Begriff Kontrastprogramm, besonders vom ersten Brahms-Opus zu Houghs Zyklus. Brahms gelingt dem Prince Consort gut, wobei schöne, angenehm intime Momente und die schon angedeuteten Schwächen gleichermaßen offenbar werden. Houghs Lieder werden sehr intensiv gedeutet, in diesem expressiv erweiterten Repertoire scheint sich die Formation deutlich wohlzufühlen.

Klassik
06 September 2011